Grenzen setzen: 9 Schritte zu mehr Selbstvertrauen und innerer Freiheit

Zuletzt aktualisiert am 04/05/2024 |   geschrieben von Katja Smigerski
Katja Smigerski

Selbstvertrauen, Zufriedenheit und innere Freiheit – das sind nur einige der Vorteile, die wir erlangen, wenn wir unsere Grenzen klar definieren und für sie einstehen. Grenzen zu setzen ist ein Akt der Selbstliebe und Selbstfürsorge. Es bedeutet, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und ihnen Raum zu geben. In diesem Blogbeitrag erfährst du, was es heißt, Grenzen zu setzen. Du lernst, welche Arten von Grenzen es gibt und welche 9 Schritten dir helfen, deine persönlichen Grenzen zu erkennen und besser für sie einzustehen.

Was bedeutet „Grenzen setzen“?

Definition: Wo liegt die Grenze?

Meine Kund:innen stellen zu Beginn oft die Frage: Woher weiß ich denn überhaupt, wo meine Grenzen liegen? Meine Antwort ist immer wieder dieselbe: Das kannst nur du selbst wissen beziehungsweise erspüren.

Wenn du sie noch nicht kennst, kannst du lernen, deine Grenzen wahrzunehmen und die Signale deines Körpers immer besser zu verstehen und zu deuten. Grenzen sind von Mensch zu Mensch und von Beziehung zu Beziehung zu Beziehung ganz unterschiedlich.

Auch Konzepte und Definitionen in der Psychologie geben diese Individualität wieder, ausgehend vom menschlichen Körper:

Der persönliche Raum […] ist der Bereich um den Körper einer Person, mit einer unsichtbaren Grenze, in welchen andere nicht eindringen können, ohne Unwohlsein zu erregen. Dieser Raum ist nicht fest, sondern variiert in Abhängigkeit vom Gegenüber, von Befindlichkeit, Kontext und Kultur. Das psychologische Konzept persönlicher Grenzen geht also von einer räumlichen Metapher aus, die uns hilft, Beziehungen mit anderen Wesen und Objekten in der Außenwelt zu beschreiben.“ Quelle: schweizer ipb Instut

Zugegeben, das klingt noch sehr sperrig. 

Meine Definition

Im Kern ist eine Grenze erreicht, wenn man sich im Zusammensein mit anderen ab einem bestimmten Moment unwohl fühlt – in der Regel aufgrund einer Handlung, Geste oder Aussage. Manchmal kann aber auch allein die bloße Präsenz eines anderen Menschen zu Unwohlsein führen.

Das Setzen gesunder Grenzen umfasst vor allem ...

  • ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, was und wer einem guttut und wer oder was nicht
  • für die eigenen Bedürfnisse und Werte einzustehen
  • den eigenen Schutzraum zu wahren
  • Orientierung zu schaffen innerhalb von Beziehungen
  • Raum für persönliche Entfaltung und inneres Wachstum
  • die Verantwortung für das eigene Wohlergehen zu übernehmen
Grenzen setzen Psychologie: Wann eine Grenze erreicht ist

Warum auch ich erst lernen musste, Grenzen setzen

Beim Thema „Grenzen setzen“ denke ich oft an die Beziehung zu meiner Mutter: Sie entschied gerne über meinen Kopf hinweg und war oft felsenfest davon überzeugt zu wissen, was ich denke, fühle oder warum ich gerade so handle, wie ich handle. 

Kurz gesagt: Sie respektierte meine persönlichen Grenzen so gut wie nie. Somit habe ich auch nie gelernt, wie ich für meine eigenen Bedürfnisse einstehe, denn es war absurder Weise ja ganz normal, dass sie permanent übergangen wurden. Da ich auch kein Gespür dafür entwickeln konnte, war ich oft gestresst.

Ich vermied Konflikte und wenn ich mal eine Bitte abschlug – was selten vorkam -, machte ich mir im Nachhinein ewig Gedanken darüber, ob das so ok war. Lange dachte ich, dass ich beziehungsunfähig bin, da ich mich von einer unerfüllten Liebe zur nächsten hangelte. Auch im Job ließ ich mir viel gefallen, war sehr konfliktscheu und somit ein gutes Opfer für diejenigen, die meine Gutmütigkeit ausnutzten.

Erst später, als Erwachsene, habe ich mithilfe von Selbststudium, liebevollen Freuden und externer Unterstützung durch Seminare, Therapie und Coaching gelernt, meine eigenen Grenzen wahrzunehmen und sie zu wahren: In der Familie, in der Beziehung und auch auf der Arbeit.

Welche Arten von Grenzen gibt es?

Meiner persönlichen Erfahrung nach gibt es vor allem vier unterschiedliche Arten:

Emotionale Grenzen

Emotionale Grenzen zeigen sich in der Regel im Miteinander mit anderen. Sie werden oft durch Worte verletzt, aber auch durch Handlungen oder Gesten, die sich unmittelbar auf unsere Gefühle auswirken.

Ganz offensichtliche Grenzüberschreitungen sind beispielsweise Bevormundung, Beschimpfungen, unangebrachte Kommentare, abwertende Aussagen, Urteile oder auch Einmischungen in persönliche Themen. Es sind Aktionen anderer Menschen, die die Grundbedürfnisse nach Autonomie und Bindung beeinträchtigen: Entweder stellen sie die Person als unmündig dar, werten sie ab oder sie verletzen Werte, die zu einer gesunden Bindung gehören, wie beispielsweise Vertrauen, Respekt, Verständnis oder auch Anerkennung.

Werte sind wie ein innerer Kompass

Werte sind wie ein innerer Kompass für dein Wohlbefinden. Das Gute ist: Wenn sie dir bewusst sind, erkennst du schnell, wenn sie verletzt werden. In dem Moment ist es wichtig, dass du genauer hinschaust: Was kannst du verändern, damit es dir (wieder) gut geht? Du hast quasi eine Diagnose, die als Ausgangspunkt für die Suche nach Lösungswegen dient. Viele Tipps dazu findest du weiter unten in diesem Beitrag. 


Manchmal kann es aber auch sein, dass eine Grenzüberschreitung und damit einhergehende Werteverletzung der Anstoß für Veränderung ist. Bei mir hat sie beispielsweise schon zu einer inneren Kündigung geführt. Lies dazu mehr in meinem sehr persönlichen Blog-Beitrag „Ich fühle mich wie eine Marionette“.

Häufig tritt die Verletzung emotionaler Grenzen im Zusammenspiel mit toxischen Menschen auf. Eine der ausgeprägtesten Formen ist Mobbing. Werden unsere emotionalen Grenzen permanent verletzt, wirkt sich das nicht nur negativ auf unser psychisches Wohlergehen aus, sondern kann auf die Dauer auch psychische Krankheiten hervorrufen.

Körperliche Grenzen 

Körperliche Grenzen sind nicht nur durch unseren physischen Körper definiert. Jeder Mensch hat einen individuell empfundenen Schutzraum um sich herum. Vielleicht kennst du das: Du stehst im Supermarkt in der Schlange an der Kasse und die Person hinter dir steht so nah, dass du schon fast den Atem im Nacken spürst.

Ich hatte mal einen Chef, der mir oft sehr nahekam, wenn er mir etwas erklärte. Ich hatte fast schon das Gefühl, dass er mir gleich auf dem Schoß sitzt. Das ist beispielsweise für mich definitiv eine Verletzung meines persönlichen Schutzraumes. Meist ist das diesen Personen gar nicht bewusst. Wie ich mit dieser Situation umgegangen bin, erfährst du weiter unten in diesem Beitrag.

Übrigens ist dieser unsichtbare Schutzraum auch kulturell sehr unterschiedlich: Beispielsweise ist der Raum von Menschen in südlichen Ländern wie Spanien oder Italien deutlich kleiner als bei den meisten Deutschen.

Zu körperlichen Grenzen zählt aber natürlich auch jeglicher physischer Kontakt – insbesondere, wenn er nicht von beiden Seiten gewollt ist. Ebenso wie rein physische Grenzen im Sinne körperlicher Kapazitäten, beispielsweise Kondition oder Beweglichkeit.

Energetische Grenzen

Energetische Grenzen beziehen sich auf die gefühlte, mentale oder seelische Kapazität. Sicher kennst du den Ausdruck „Ich habe keine Energie mehr“. Gemeint ist in der Regel, dass wir uns schlapp und müde fühlen. Denn unser „mentaler Akku“ ist begrenzt. Achten wir nicht darauf, ihn immer wieder aufzuladen oder läuft er leer, ist unser Gehirn überlastet und nicht mehr aufnahmefähig.

Energetische Grenzen sind eng an die Erfüllung von Grundbedürfnissen gekoppelt und auch ein typischer Fall von Grenzen, die wir selbst immer wieder überschreiten.

Buchempfehlung*

„Das erschöpftes Gehirn“ von Dr. med. Michael Nehls

Ich habe dieses Buch vor einiger Zeit gelesen und fand es sehr spannend: Der Autor ist Arzt und habilitierte Molekulargenetiker. Er erklärt unterhaltsam, wieso unsere heutige Lebensweise fast automatisch dazu führt, dass so viele von uns immer wieder gestresst und erschöpft sind. Dr. Nehls erläutert vor allem die körperlichen Zusammenhänge, ausgehend vom Nervensystem.

Das Buch ist super für dich, wenn du an wissenschaftlichen Hintergründen interessiert bist. 

Buch "Das erschoepfte Gehirn"

*Persönliche Empfehlung der Autorin des Blog-Beitrages. Unbezahlte Werbung.

Gerade Menschen, die gerne für andere da sind, tendieren dazu, ihre energetischen Grenzen immer wieder zu überschreiten. Sie merken erst zu spät, dass es wieder einmal passiert ist. Zeit spielt hier eine große Rolle: Es ist wichtig, Zeit für die eigene Selbstfürsorge im Alltag einzuplanen. Sie sorgt dafür, dass der mentale Akku immer wieder aufgeladen wird.

Eine Besonderheit energetischer Grenzen ist die Herausforderung, die Energien anderer Menschen aufzunehmen. Vielleicht kennst du das: Du bist super gelaunt und betrittst einen Raum mit einem Menschen, der schlecht gelaunt oder traurig ist. Auf einmal fühlst du dich bedrückt und unwohl.

Oft ist mit „Energien anderer aufnehmen“ gemeint, dass man die Stimmungen anderer bewusst oder unbewusst spürt und übernimmt. Dieses Problem haben vor allem feinfühlige und hochsensible Menschen. Sie fühlen sich schnell verantwortlich für die Gefühle anderer Menschen, unter anderem, weil sie diese schnell spüren und selbst nur schwer aushalten können.

Ethische und kulturelle Grenzen

Kulturelle und ethische Grenzen beziehen sich vor allem auf das Wertesystem und tief verankerte Überzeugungen. Die Werte und Überzeugungen eines Menschen sind sehr individuell. Sie hängen von der persönlichen Lebensgeschichte, dem kulturellen Hintergrund und auch von den Umständen, in denen man lebt und aufgewachsen ist, ab.

Für viele Kund:innen von mir sind beispielsweise die persönliche Freiheit, Liebe und Nachhaltigkeit wichtige Werte. Persönliche Freiheit scheint auch einer Studie des Werte-Instituts in Deutschland seit der Corona-Krise zum Top 1 Wert aufgestiegen zu sein. Gleichzeitig sind für viele ältere Menschen nach wie vor Anstand, Fleiß und Pünktlichkeit wichtige Tugenden. Jeder definiert das für sich anders, ob bewusst oder unbewusst.

In muslimischen Ländern beispielsweise geht es gar nicht, als Frau mit nackten Schultern und ohne Kopftuch in Gotteshäuser zu gehen. So hat auch jede Kultur eigene Werte und Konventionen.

Die eigenen Werte zu kennen ist wichtig, denn Werte und Bedürfnisse sind die Navigatoren, die unsere Grenzen definieren. Je besser wir unsere Werte und vor allem das Verhalten, das damit verbunden ist, kennen, desto besser können wir auch wahrnehmen, ab wann und vor allem, warum wir uns unwohl fühlen.

Warum Grenzen so wichtig sind

Das Setzen von Grenzen ist ein Akt der Selbstliebe. Sie einzuhalten ist Teil einer gesunden Selbstfürsorge, denn ihre Verletzung führt zu einem beeinträchtigten Wohlbefinden.

Ein gesundes Selbstbewusstsein ist die Basis, denn wie das Wort schon sagt: Wer sich selbst bewusst ist, kennt auch die eigenen Grenzen. Und je besser man für die Einhaltung derer sorgt, desto wohler fühlt man sich. Das Selbstvertrauen und die Selbstsicherheit steigen, denn die positiven Erfahrungen zeigen, dass man sich auf sich selbst verlassen kann. Und damit pflegt man die eigene, emotionale Gesundheit.

Setzt du gesunde Grenzen, nimmst du dich selbst als wertvoll und achtenswert wahr, was sich unmittelbar positiv auf Beziehungen und die Fremdwahrnehmung durch andere auswirkt. Beobachte es mal in deinem Umfeld: Würdest du es einem Menschen, der selbstbewusst auftritt, krummnehmen, wenn er oder sie ganz souverän und gelassen „Nein“ zu etwas sagt? Vielleicht würdest du grummeln, aber es nicht infrage stellen – so wie die Person selbst auch.

Grenzen setzen hat also auch viel mit der inneren Haltung sich selbst gegenüber zu tun.

Positive Effekte gesunder Grenzen

  • Du bist ausgeglichener, da du ein gutes Gefühl dafür hast, was für dein eigenes Wohlbefinden wichtig ist.
  • Du bist zufriedener, weil du dich auf dich selbst verlassen kannst. Das stärkt dein Selbstvertrauen und somit auch das Gefühl, es selbst in der Hand zu haben.
  • Du bist erfolgreicher, da du darauf achtest, den eigenen Akku immer wieder gut aufzuladen und deine Energie nicht wahllos an andere abzugeben.
  • Du fühlst dich innerlich frei. Denn das Wissen um deine eigenen Grenzen und die Befreiung von Blockaden, die dich davon abhalten, sie einzuhalten, lässt innere Ruhe und Unabhängigkeit einkehren.
  • Du bist mehr im Moment, weil du nicht so viel Zeit darauf verwendest, Entscheidungen zu hinterfragen.
  • Du führst glückliche Beziehungen, denn du selbst und auch die anderen wissen, wo dein Tanzbereich anfängt und wo er aufhört. Das sorgt für Klarheit und Augenhöhe.
  • Du trittst selbstbewusst auf, denn du kennst deinen Wert und stehst dafür ein.

Du siehst: es lohnt sich, sich dem Thema zu widmen, auch wenn der Weg dahin anstrengend sein kann, wenn man bisher Probleme damit hat, für sich einzustehen. Aber das kannst du definitiv ändern!

3 Beispiele für fehlende Grenzen und mögliche Lösungen

Beispiel 1: Zu wenig räumlicher Abstand

Ein Beispiel aus meinem Alltag habe ich bereits genannt: Ich hatte einen Chef, der mir für meinen Geschmack viel zu nahekam, wenn er mir etwas erklärte. Ich fühlte mich unwohl. Als nahm ich mir ein Herz, sprach die Situation unter vier Augen offen an und bat ihn, mehr Abstand zu halten.

Er war ganz überrascht, aber auch peinlich berührt, denn es war absolut nicht seine Absicht, mich zu bedrängen. Das Gespräch war unangenehm für beide Seiten. Doch dank der Klarheit für beide Seiten kamen solche Situationen nicht mehr vor und wir beide konnten entspannt miteinander umgehen.

Beispiel 2: Kannst du mal eben?

Eine Kundin von mir passierte es immer wieder, dass sie auf der Arbeit in eine Aufgabe vertieft war und dennoch eine Kollegin oft mit der Bitte „Duuu, kannst du bitte mal …“ zu ihr kam. Sie unterbrach jedes Mal ihre Arbeit und wandte sich der Kollegin und ihrem Thema zu – mit dem Ergebnis, dass sie sich im Nachhinein ärgerte, denn die eigene Aufgabe blieb lieben und es dauerte eine Weile, bis sie wieder drin war.

Im Coaching erarbeiteten wir,

  • welche Gefühle diese Unterbrechung in ihr auslösen (sie war gestresst und unzufrieden),
  • was ihr Bedürfnis war (sie wünschte sich bessere Absprachen statt ad hoc Anfragen, sodass sie beides besser einplanen kann: das Thema der Kollegin und die eigenen Aufgaben) und
  • welchen Wunsch sie an die Kollegin richten kann (dass die Kollegin bereits morgens Bescheid sagt, wenn sie ein Thema hat, sodass meine Kundin es entsprechend einplanen kann).

Die Umsetzung brauchte etwas Übung, aber es hatte zur Folge, dass meine Kundin zufriedener wurde. Sie war weniger genervt von ihrer Kollegin und sich selbst.

Beispiel 3: Wenn Hilfe ausgenutzt wird

Gerade Selbständige tendieren dazu, über die vereinbarte Leistung hinaus weitere Tipps und Hilfestellungen zu geben. Es ist per se nichts Schlechtes, hilfsbereit zu sein, aber in diesem Fall wurde die Hilfe ausgenutzt. Meine Kundin, der es so ging, ärgerte sich darüber und war zunehmend gestresst davon.

Auch hier analysierten wir im Coaching, wie es dazu kam und welche Motive meine Kundin hatte. Schritt für Schritt lernte sie, wie sie zum einen merkt, dass ihre Grenze erreicht ist und zum anderen, wie sie damit gut umgehen kann.

Ihre persönliche Lösung: Immer, wenn sie merkt, dass sie hibbelig wird, weiß sie, dass ihre Grenze erreicht ist. Gleichzeitig bereitet sie sich im Vorfeld vor, indem sie bewusst entscheidet, wie viel sie geben möchte und ab wann es eine zusätzliche, kostenpflichtige Leistung ist. Seither fällt es ihr leichter, im Gespräch keine unüberlegten Versprechen zu geben.

So geht’s nicht weiter!

Wenn du im Job immer wieder mit Grenzüberschreitungen konfrontiert bist, könnte es auch Zeit für eine Veränderung sein.
Wie das gelingt, erfährst du in meinem „Leitfaden zum Job mit Sinn“.

Finde deinen Job mit Sinn, der dich erfüllt

Welche Gefahren birgt es, wenn man keine Grenzen setzt?

Was ist eigentlich schlimm daran, keine Grenzen zu setzen? Es gibt sicher viele Menschen, die wunderbar funktionierende Kompensationsmechanismen entwickelt haben, um das Thema erfolgreich zu umgehen. Sie gehen Konflikten aus dem Weg, reden es sich schön, wenn sie ausgenutzt werden oder sagen sich, dass sie einfach nichts an ihrer Situation ändern können.

Es ist nicht immer einfach, Grenzen zu setzen. Es erfordert eine gewisse Frusttoleranz und Ehrlichkeit – sich selbst und anderen gegenüber. Und das kann auch mal schmerzhaft sein, denn es bedeutet, auch mal auszuhalten, wenn das Gegenüber traurig, wütend oder enttäuscht auf die Zurückweisung reagiert. Das lässt sich nicht immer vermeiden, auch wenn die aufgezeigte Grenze absolut berechtigt ist.

Der Vergleich: eine marode Beziehung

Aus meiner Sicht ist das Führen einer Beziehung, die offensichtlich marode ist, ein guter Vergleich: Du kannst bewusst oder unbewusst die Augen davor verschließen, dass die Beziehung nicht funktioniert. Dir einreden, dass es ok so ist und dass eine Trennung viel schlimmer wäre.

Was ist schon dabei, wenn der oder die andere ein bisschen Spaß nebenher hat? Oder dass das Feuer erloschen ist? Selbst ständiges Streiten kann absurder Weise zu einer Komfortzone werden. Wäre da nur nicht diese eine innere Stimme, die sich immer wieder meldet und dir sagt, dass das nicht das ist, was du dir vom Leben wünschst.

Solange du diese Stimme ignorierst, ignorierst du den rosa Elefanten im Raum: Er ist da, du siehst ihn immer wieder, aber du hast Angst, dich mit ihm auseinander zu setzen. Und die Stimme wird immer lauter.

Der Preis, den du dafür zahlst: Du verleugnest dich und deine Bedürfnisse. Du lässt dich von deiner Angst kontrollieren, wirst immer unzufriedener, vielleicht sogar abgeklärt und verbittert: „Ist eben so.“ „Irgendwie funktioniert es schon.“ Zudem ist es auf die Dauer sehr anstrengend, die innere Stimme zu ignorieren. Das ist oft bewusst gar nicht wahrnehmbar, aber glaub mir: Das Nervensystem wird sehr strapaziert.

Diese Spirale kannst du übertragen, wenn du keine Grenzen setzt.

Typische Folgen fehlender oder unklarer Grenzen

  • Du wirst immer wieder ausgenutzt. Andere gewöhnen sich daran, dass du immer da bist und nicht Nein sagst. Ob bewusst oder unbewusst: Sie schließen die Augen davor, dass sie dich und deine Gutmütigkeit ausnutzen. Denn für sie ist es ja ein Vorteil.
  • Dein innerer Kritiker wird immer lauter und du verurteilst dich selbst, weil du nichts sagst oder dich nicht wehrst. Du bist immer frustrierter und siehst die Schuld zunehmend bei dir selbst, was deine Unzufriedenheit noch mehr vergrößert. Das Kopfkarussell nimmt zu und deine Selbstachtung sinkt.
  • Dein Schlaf verschlechtert sich: Wer keine Grenzen setzt, achtet in der Regel auch nicht auf die eigene Kapazitätsgrenze. Energie nimmt ab, gefühlt fehlt die Zeit an jeder Ecke und da du dir über so vieles Gedanken machst, kann das zu Schlafproblemen führen.
  • Dein psychisches Unwohlsein und die Signale deines Körpers nehmen zu: Körperliche Schwachstellen machen sich zunehmend bemerkbar. Im schlimmsten Fall wirst du krank, depressiv und endest in einem Burnout.
  • Vielleicht kompensierst du deine unerfüllten Bedürfnisse: Beispiele sind emotionales Essen, Ablenkung durch Social Media, Rauchen, Sex oder andere Süchte, die einen schnellen Endorphin Schub geben. Diese Strategien verlagern allerdings eher das Problem beziehungsweise sie schaffen neue, anstatt das eigentliche Thema zu lösen. Die Unzufriedenheit bleibt bestehen.
  • All das führt dazu, dass du den Kontakt zu dir selbst verlierst, wie auch zu deinen Bedürfnissen. Du merkst nicht, wo überhaupt deine Grenzen liegen.

Dies sind nur wenige Konsequenzen, die daraus entstehen können. Die Ausprägung hängt ganz davon ab, wie oft und in welchen Lebensbereichen es schwerfällt, Grenzen zu setzen. Bei meinen Kund:innen ist es interessanterweise oft so, dass nur der private oder der berufliche Bereich betroffen ist.

Dahinter stecken oft unterschiedliche Motive. Im beruflichen Umfeld geht es beispielsweise oft um das Bestreben, den eigenen Leistungsansprüchen und auch denen anderer gerecht zu werden. Im Privaten geht es meist um die Angst, liebe Menschen zu verlieren oder sie zu verletzen.

Das Paradoxe ist: In Summe sind die Haupttreiber negative Glaubenssätze und Ängste. Vor allem die Angst, auf Unverständnis oder Ablehnung zu stoßen. Die Befürchtung, egoistisch oder ignorant zu sein. Gleichzeitig aber kennst du wahrscheinlich auch Personen, die richtig gut Grenzen setzen können. Sie treten selbstbewusst auf, sind oft charmant und es ist vollkommen klar, dass die Grenzen gar nicht infrage gestellt werden. Sie werden respektiert und oft sogar bewundert.

Sonderfall toxische Beziehungen

Grundsätzlich spreche ich hier in erster Linie von Menschen, die gesunde Grenzen auf eine respektvolle Weise setzen. Oft tritt die Schwierigkeit, Grenzen zu setzen, jedoch im Miteinander mit toxischen Menschen auf. In Beziehungen mit diesen dominanten Menschen, egal ob im Privaten oder im Job, fehlt die Augenhöhe und es kommt immer wieder zu Verletzungen. Das Fiese daran ist, dass es nicht immer vorsätzlich geschieht. Oft kommt es vor, dass sich ungesunde Dynamiken entwickeln, die durch den jeweils anderen getriggert werden.

Hinweis: Solltest du vermuten, dass du mit toxischen Menschen zu tun hast und nicht wissen, wie du dich schützen kannst, rate ich dir dazu, dir professionelle Hilfe zu suchen. Diese Beziehungen können auf die Dauer sehr schädigend für die psychische Gesundheit sein.

Grenzen setzen lernen: Wie setze ich gesunde Grenzen?

Grundsätzlich gilt: je mehr du bei dir selbst bist, also dich und deine Bedürfnisse wahrnimmst, respektierst und annimmst, desto leichter fällt es dir auch, Grenzen nach außen zu setzen.

9 wichtige Schritte, um Grenzen setzen zu lernen 

  1. Sei achtsam und reflektiere dich selbst: Beginne damit, Situationen, in denen du dich unwohl fühlst, zu untersuchen und nach wiederkehrenden Mustern zu suchen. Folgende Fragen können dabei helfen: Was genau ist passiert? / Wie hast du dich dabei gefühlt? / Was hast du dabei gedacht? / Welche körperlichen Reaktionen konntest du wahrnehmen? / Was hättest du dir stattdessen in dieser Situation gewünscht?
  2. Sei milde zu dir: Nimm wahr, wie du über dich selbst denkst und höre auf, dich zu verurteilen. Jede Reaktion, jedes Verhaltensmuster dient im Grunde dazu, dich selbst vor etwas zu beschützen. Finde heraus, was das sein könnte und würdige dieses Bedürfnis. Es ist nicht möglich, ein Verhalten oder Gefühle loszuwerden. Es geht darum, sie als Signal zu verstehen und einen neuen Umgang zu lernen, der dir ein gutes Gefühl gibt. Erlaube dir, kleine Schritte zu gehen.
  3. Lerne deine Bedürfnisse kennen: Entwickle ein Gefühl dafür, wie sie sich bemerkbar machen. Auf diesem Weg wirst du automatisch auch lernen, wo deine persönlichen Grenzen liegen. Eng damit verknüpft sind auch die eigenen Werte. Sie sind wie ein innerer Kompass, der dir zeigt, was dir guttut und was nicht.
  4. Erkenne deinen eigenen Wert an: Mache dir deine Stärken und Talente bewusst. Beginne damit, Erfolge zu reflektieren und frage dich, wie du selbst ganz konkret dazu beigetragen hast. Letzteres ist aus meiner Sicht ein wichtiger Schlüssel, um sich der eigenen Selbstwirksamkeit bewusst zu werden. Das ist auch ein wichtiger Schritt raus aus der Opferrolle.
  5. Gib dir die innere Erlaubnis: Identifiziere die Glaubenssätze, die dich in deinem bisherigen Verhalten verharren lassen und definiere hilfreiche und glaubwürdige Überzeugungen, die dir die innere Erlaubnis geben, künftig mehr für dich einzustehen.
  6. Setze bewusst verbal Grenzen: Lerne, souverän Nein zu sagen und deine Bedürfnisse auf respektvolle Weise zu thematisieren. Wichtig ist, dass du bei der Kommunikation deiner Grenzen bei dir bleibst und dein Gegenüber nicht mit Schuldzuweisungen in die Defensive bringst. Das führt selten zum gewünschten Resultat. Es geht darum, bei sich selbst zu bleiben, Gefühle und Bedürfnisse zu benennen und konstruktiv Wünsche zu äußern, statt Forderungen zu stellen. 
  7. Prüfe dein Umfeld: Es gibt das Sprichwort, dass man die Summe der 5 Menschen ist, mit denen man sich am meisten umgibt. Prüfe also, ob diese Menschen dir guttun und ob sie dieselben Werte wie du vertreten. Wenn nicht, suche das Gespräch oder, wenn das nicht fruchtet, distanziere dich von toxischen Menschen.
  8. Respektiere die Grenzen der anderen: Ein wichtiger Punkt, bei dem wir uns oft an die eigene Nase fassen dürfen: Wenn wir uns wünschen, dass andere unsere Grenzen respektieren, sollten wir das natürlich auch umgekehrt tun.
  9. Hab Geduld mit dir und anderen: Grenzen setzen erfordert neben Geduld mit sich selbst und den anderen auch eine gewisse Frusttoleranz. Denn wenn deine Familie, Freunde oder Kolleg:innen bislang von dir gewohnt sind, dass du immer da bist und nie „Nein“ sagst, müssen sich alle erstmal an dein neues Verhalten gewöhnen. In der Regel sind andere erstmal irritiert, manchmal kann es auch zu Konflikten kommen.

Achte auf Triggersituationen

Mit Triggersituationen ist oft gemeint, dass du dich von einer Situation, der Handlung einer Person oder durch bestimmte Aussagen getroffen fühlst. Meist ist eine Grenzüberschreitung der Fall. 

Es ist hilfreich, diese Situationen zu registrieren und zu reflektieren. Denn das damit verbundene Störgefühl kann ein Hinweis dafür sein, dass die Situation gerade diene Werte oder Bedürfnisse verletzt. 

Lies dazu mehr in meinem Blog-Beitrag „Umgang mit Triggersituationen: 3 Tipps, wie du besser klarkommst“.

Mach es dir leicht!

Sichere dir das Selbsthilfe-Paket „Nein sagen ohne Schuldgefühle“ und es wird dir deutlich leichter fallen, gut für dich einzustehen.

Hilfreiche Unterstützung auf deinem Weg

Möchtest du künftig besser Grenzen setzen, aber irgendwie kommst du allein nicht weiter? Es gibt unterschiedliche Optionen, wie du Unterstützung für deinen Weg findest:

Hilfe zur Selbsthilfe

Liest du gerne? Dann empfehle ich dir das Buch „Bis hierhin und nicht weiter“ von Rolf Sellin. Das Buch ist sehr praxisorientiert und beinhaltet viele Übungen, die du ausprobieren kannst. Gleichzeitig erläutert er sehr anschaulich, wieso es so schwerfällt, Grenzen zu setzen.

Professionelle Begleitung

Mithilfe eines Coachings kannst du individuell deine Muster aufdecken und Wege erarbeiten, um künftig besser für dich einzustehen. Auch Hypnose wirkt sehr gut, vor allem, wenn sie ganz persönlich auf dich und deine Situation zugeschnitten ist. Das Thema „Besser Grenzen setzen“ spielt bei fast jeder meiner Kund:innen im Berufscoaching eine Rolle. Vereinbare gerne ein kostenloses Kennenlerngespräch und wir schauen gemeinsam, wie ich dich unterstützen kann.

In manchen Fällen ist auch eine Therapie ratsam. Das ist vor allem dann der Fall, wenn tiefgreifende Ängste sowie Panikattacken eine Rolle spielen. Auch tief traumatisch verankerte Muster sind in den Händen von Therapeuten gut aufgehoben. Ich selbst habe beispielsweise aufgrund meines Bindungstraumas in der Kindheit zunächst mit therapeutischer Begleitung begonnen, meine Themen aufzuarbeiten und mehr in Kontakt mit mir selbst und meinen Bedürfnissen zu kommen.

Ob Coaching oder Therapie angebracht ist, ist nicht immer leicht zu unterscheiden. Wenn du unsicher bist, empfehle ich dir, das Gespräch mit deinem Hausarzt bzw. deiner Hausärztin zu suchen.

Grenzen setzen Fazit

  • Gesunde Grenzen sind wichtig für die emotionale Gesundheit und wirken sich positive auf das Selbstvertrauen und die Selbstfürsorge aus.
  • Wer keine Grenzen zieht, wird schnell ausgenutzt, die Unzufriedenheit steigt und nicht selten führt es zu psychischen Krankheiten durch permanente Überlastung.
  • Es gibt unterschiedliche Arten von Grenzen – beispielsweise emotionale, körperliche, energetische wie auch ethische Grenzen. Alle haben ihre Berechtigung.
  • Hilfreich ist es, die eigenen Werte zu kennen und sie als inneren Kompass zu nutzen.
  • Grenzen setzen lernen beginnt mit Achtsamkeit und Reflexion. Je bewusster du dir deiner Muster bist, desto besser kannst du dein Verhalten in kleinen Schritten verändern.
  • Gesunde Grenzen resultieren aus einer inneren wohlwollenden Haltung heraus: dir selbst, aber auch anderen gegenüber. Wenn du möchtest, dass andere deine Grenzen respektieren, dann respektiere auch ihre Grenzen.
  • Wo die eigenen Grenzen liegen und wie du eine Grenzüberschreitung bemerkst, ist ganz individuell. Lerne, die Signale deines Körpers zu deuten und welche Bedürfnisse dahinterstecken.
  • Es kann herausfordernd sein, Grenzen setzen zu lernen. Scheue dich nicht, dir Begleitung durch Coaching oder Therapie zu suchen, um Unterstützung auf dem Weg zu gesunden Grenzen zu haben.

Häufig gestellte Fragen zum Thema “Grenzen setzen”

Wie zeige ich ihm meine Grenzen?

Die beste Art, Grenzen aufzuzeigen, ist meiner Erfahrung nach Kommunikation. Ich weiß, dass das sehr herausfordernd sein kann. Aber es ist die beste Möglichkeit, um klar und deutlich zu machen, wenn eine Grenze überschritten wird. Das kann im akuten Moment passieren oder auch im Nachgang.

Es kann es auch notwendig sein, das klare „Nein“ mit bewussten Gesten zu unterstreichen. Beispielsweise signalisiert einer ausgestreckte, flach aufgestellte Hand „Stopp“. Die Geste schafft gleichzeitig auch räumlich Distanz.

Weitere Hinweise und Tipps rund um das Thema „Nein sagen“ findest du in meinem Beitrag „Psychologie des Nein-Sagens: Warum es wichtig ist und wie es dir leichter fällt.

Wie finde ich heraus, wo meine persönlichen Grenzen liegen?

Der erste Schritt ist Achtsamkeit: Reflektiere Situationen, in denen Grenzen überschritten wurden und schärfe deine Selbstwahrnehmung. Es braucht ein wenig Übung, um die eigenen Signale und die dahinter liegenden Bedürfnisse wahrnehmen und deuten zu können.

Ein weiterer Schlüssel ist es, dass du nicht nur deine eigenen Werte kennst, sondern dir auch bewusst wirst, welches konkrete Verhalten diese Werte widerspiegelt. So kannst du erkennen, wann sie verletzt werden – und somit eine Grenze erreicht ist.

Wie kann ich meine Grenzen wahren / Grenzen ziehen?

Der wichtigste Schritt ist, dass du dein Selbstbewusstsein stärkst: Bist du dir deiner Grenzen bewusst und respektierst du sie, wird es dir leichter fallen, sie auch nach außen hin zu wahren. Das tust du durch klare Kommunikation und, falls notwendig, bestärkende Gesten. Im Abschnitt „Grenzen setzen lernen: Wie setze ich gesunde Grenzen?“ findest du 9 hilfreiche Schritte für deinen Weg.

Wie nennt man Menschen, die Grenzen überschreiten?

Menschen, die permanent, teilweise sogar bewusst, Grenzen überschreiten, werden oft als toxisch bezeichnet. Das Miteinander mit ihnen ist emotional sehr fordernd, oft sogar schädlich. Ein weiterer Begriff in diesem Zusammenhang ist „Energieräuber“, da sie dir Energie nehmen, statt dass ein Miteinander wohltuend oder bereichernd ist.

Was sind Grenzen im Leben?

Eine Grenze haben wir alle: den Tod. Weitere Grenzen werden in der Regel gesellschaftlich definiert, wie beispielsweise durch das Gesetz. Knifflig wird es bei den persönlichen Grenzen, da diese sehr individuell und von vielen Faktoren geprägt sind. Wesentlich sind dabei die eigene Lebengeschichte, persönliche Erfahrungen, die Kultur und das menschliche Umfeld, in dem man sich befindet. Mehr dazu, welche Arten von Grenzen es gibt, findest du im Abschnitt „Welche Arten von Grenzen gibt es?“.

Über die Autorin

Katja Smigerski ist kreativer Freigeist, Kommunikationsprofi, ausgebildeter Life & Business Coach (IHK) und Hypnotiseurin (TMI).

Die Darmstädterin unterstützt sensible, ehrgeizige Frauen bei ihrer beruflichen Neuorientierung. Ihre Überzeugung: Für einen erfüllten Job braucht es beides, Sinn und eine gesunde Selbstfürsorge.

In diesem Blog teilt sie Erfahrungen, Gedankenanstöße, Expertenwissen und Inspiration, die Impulse für mehr Klarheit, Selbstvertrauen und Umsetzung liefern.

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